Was passiert wenn ihr dieses Wort seht? Wie fühlt ihr euch? Gestresst, verärgert? Ist bei vielen so, aber nicht bei allen. Jubelstürme gibt es auch keine.

Schüler wussten es schon immer. Hausaufgaben sind blöd.

Auf jeden Fall ist dieses Gefühl stark vertreten. Aber warum ist das Thema so schwierig?

Alle folgenden Punkte dienen einer Übersicht. Eine ausgedehnte Abhandlung pädagogischer Strömungen und ihre Auswirkungen auf das Thema Hausaufgaben würde eh keiner lesen. Auf gehts …

Die Idee der Hausaufgabe ist etwa so alt wie Schule selbst. Dahinter versteckt sich eine gute Absicht, … wie könnte es bei Pädagogen auch anders sein. Schüler würden sich eigenständig und emanzipiert mit Aufgaben befassen, losgelöst von Einflüssen innerhalb der Klassengemeinschaft. Häusliche Übungen festigen den Lernstoff, erzielen Lernfortschritte und gewöhnen an strukturiertes Arbeiten. Hausaufgaben dienen der Reflexion, Vernetzung, Vorbereitung, bla, bla, …

Das hört sich toll an. Zu blöde, dass es oft so nicht funktioniert. Warum eigentlich nicht?

Problem Nr. 1: Fremdbestimmung und zeitliche Belastung

Hausaufgaben führen zu einem Gefühl der Fremdbestimmung. Die meisten Lehrer sind sich dem bewusst, weil sie es selber durch Schule erfahren. Nach der letzten Stunde ist die Arbeit der Lehrer ja nicht getan! Viele Tätigkeiten finden nicht während der Unterrichtszeit statt. Diese Tätigkeiten stehen in Konkurrenz zu den eigenen Bedürfnissen wie Hobby, Freunde, Familienzeit, Erholung, … Der Tag hat aber nur 24 Stunden und wir laufen nicht durchgängig auf 100%. Es entsteht eine zeitliche Belastung und Stress.

Hausaufgaben führen zu einem Gefühl der Fremdbestimmung und zu zeitlicher Belastung.

Und genau so geht es vielen von euch!

Problem Nr. 2: Hausaufgabe als Formalismus

Was ist Formalismus? Je nach Kontext sind diverse Formulierungen zu finden. Es geht aber stehts um die Form, in welcher Dinge getätigt werden. Zum Beispiel wird die Hose vor den Schuhen angezogen. Das ist ein „bekömmlicher Formalismus“, dessen Nutzen nicht in Frage gestellt wird. Diese mechanische Routine führen wir ohne Köpfchen durch. Lehrkräfte (nicht alle, aber einige schon) neigen dazu, diese Art von Formalismus auf Hausaufgaben zu übertragen:

1. Minute der Pause:

Lehrer: „Stopp. Kurz noch einmal Ruhe. Hausaufgabe! Bearbeiten Sie im Buch auf Seite 89 und Seite 90 die Aufgaben 2 bis 9 zum Thema Nullstellenberechnung bei ganzrationalen Funktionen 3. Ordnung. Dokumentieren Sie ihre Lösungen algebraisch zwecks Vergleich!“

Schüler: „Warum?“

Lehrer: „Sie sind in Schule. Sie wissen, dass ich immer Hausaufgaben aufgebe.“

Schüler: „Das meinten wir nicht.“

Lehrer: Sie haben morgen die Gelegenheit sich hervorzutun um den Gesamteindruck abzurunden.“

Schüler: „Sie bewerten morgen?“

Lehrer: „Das ist in Schule üblich.“

Schüler: „Wir haben es in der Stunde noch gar nicht verstanden. Wie sollen wird das zu Hause schaffen?“

Lehrer: „Sehen Sie … da beginnt die Eigenverantwortung für den Lernprozess.“

Schüler: Wenden sich gefrustet ab.

Ok, überspitztes Beispiel. Und natürlich sind solche Szenen auch in anderen Fächern vorstellbar. Es wird klar, was mit Formalismus gemeint ist. Das hat in diesem Beispiel nichts mit „Bekömmlichkeit“ und methodischer Einbettung (also Köpfchen) in den Unterricht zu tun.

Problem Nr. 3: Hausaufgaben – Das vergessene Stiefkind

Hausaufgaben besitzen viel Potential. Leider, da sind wir indirekt wieder bei Problem 2, finden Hausaufgaben in der Vorbereitung, Durchführung von Unterricht und Nachbearbeitung nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdient hätten. Hausaufgaben methodisch durchdacht und didaktisch aufbereitet in den Unterricht einzubinden ist sinnvoll, kostet aber Zeit. Mit Hausaufgaben nach Schema Formalismus fühlt ihr euch oft allein gelassen.

Hausaufgaben haben Potential. Die richtige Einbettung in den Unterricht ist aus unterschiedlichen Gründen schwierig.

Problem Nr. 4: Wirksamkeit

Hausaufgaben führen nicht zwingend zum Erfolg. Der Lernerfolg durch Hausaufgaben ist umstritten. Jüngere nationale und internationale Studien belegen sogar, dass Hausaufgaben pädagogischer Unfug sind.

„Ob man also Mathe-Hausaufgaben direkt nach der Schule, nachts unter der Bettdecke oder überhaupt nicht macht: Der Effekt auf die Zeugniszensur ist derselbe, nämlich gleich null.“

Erziehungswissenschaftler Johann Gängler, TU Dresden, 2008

Eine der größten Studien, die Metastudie „Visible Learning“ von John Hattie, untersuchte die Einflussfaktoren auf den Lernerfolg und nahm Bezug auf die Wirksamkeit. Hausaufgaben rangieren relativ weit hinten. Ausschlaggebend sind Methoden wie die Selbstreflektion, eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung, Problemlösen, rhythmisiertes Unterrichten, Klarheit der Lehrerperson, Klarheit der Ziele, kooperatives und individuelles Lernen, etc. Besonders wichtig seien der Lehrer und die Lehrerin.

„Wir diskutieren leidenschaftlich über die äußeren Strukturen von Schule und Unterricht. Sie rangieren aber ganz unten in der Tabelle und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.“

John Hattie, Proffesor für Erziehungswissenschaften, University Melbourne, Australien

Problem Nr. 5: Darf der Lehrer das?

Ja, … wie im obigen Dialog dargestellt sind Hausaufgaben Teil der Schule und nicht verboten.

„Die Schülerin und der Schüler haben im Unterricht mitzuarbeiten, die erforderlichen Arbeiten anzufertigen und die Hausaufgaben zu erledigen.“

Auszug SchulG SH vom 24.01.2007, §11, Abs. 3

In anderen Bundesländern kann die Situation abweichend sein. In Schleswig-Holstein sind Hausaufgaben eine Option der Lehrkraft. Sie kann Hausaufgaben abverlangen, muss es aber nicht. Macht sie es, so ist die Erledigung eine Pflicht. Anders sieht es aus, wenn die Hausaufgaben ausdrücklich freiwilligen Charakter besitzen. Dann steht ihr in der Eigenverantwortung: Machen oder sein lassen? Macht ihr die Hausaufgaben nicht, werden sie auch nicht besprochen. Der Lehrer hat aber die Option angeboten und ist so aus dem Schneider.

Problem Nr. 6: Dürfen meine Eltern das?

Solltest du minderjährig sein, hast du bestimmt schon überlegt, ob deine Eltern dich von den Hausaufgeben befreien können. Die Idee liegt nahe. Nein, … können sie grundsätzlich nicht.

Eltern können ihre Kinder nicht grundsätzlich von Hausaufgaben befreien.

Über die Hausaufgaben entscheiden einzig die Lehrer und die Schulen. Es mag Ausnahmen geben, wie besondere Belastungssituationen durch z.B. eine Krankheit. Darüber würde deine Lehrkraft bestimmt informiert werden und würde im Einzelfall bestimmt ein Auge zudrücken. Wenn es begründet nicht geht, dann geht es eben nicht! Das befreit dich aber nicht davon, die Hausaufgaben und die verpassten Unterrichtsinhalte eigenständig zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.

Problem Nr. 7: Umfang

Lehrer sollten den Umfang der Hausaufgen im Blick behalten. Optimal ist eine zeitliche Abstimmung der Hausaufgaben der einzelnen Lehrer. Die Hausaufgaben sollen in angemessener Zeit erledigt werden können.
Sind keine Regelungen durch das Schulgesetz und Verordnungen vorgegeben, können diese z.B. in Klassenkonferenzen vereinbart werden.

„Der Klassenlehrer bzw. Tutor hat für eine zeitliche Abstimmung der Hausaufgaben der einzelnen Fachlehrer zu sorgen und auf die Einhaltung der bestehenden Regelungen zu achten.“

Notenbildungsverordnung, §10, Abs. (4), Baden-Württemberg, 2009

Interessant und deswegen ungekürzt die Regelung in Bayern:

„Um den Lernstoff einzuüben und die Schülerinnen und Schüler zu eigener Tätigkeit anzuregen, werden Hausaufgaben gestellt, die bei durchschnittlichem Leistungsvermögen in angemessener Zeit unter Berücksichtigung der Anforderungen des Nachmittagsunterrichtes sowie der Inanspruchnahme durch die praktische Ausbildung an beruflichen Schulen bearbeitet werden können. Die Lehrerkonferenz legt vor Unterrichtsbeginn des Schuljahres die Grundsätze für die Hausaufgaben fest. Sonntage, Feiertage und Ferien sind von Hausaufgaben freizuhalten.“

Bayrische Schulordnung, §28, Abs. (1), 2016

Solche detaillierten Formulierungen sind mir für Schleswig-Holstein nicht bekannt. Sprecht mit den Lehrern, wenn die Belastung zu hoch ist. In Abstimmung lassen sich die ein oder andere Hausaufgabe reduzieren oder der Bearbeitungszeitraum verlängern.

Problem Nr. 8: Kultisten

Sind wir ehrlich … uns Lehrern ist die Problematik 1 bis 7 eigentlich klar … ja es ist so! Und all den Eltern, die jeden Tag bei den Hausaufgaben eine Jahresdosis Emotionen erleiden, muss ich nichts erzählen. Aber warum ändert sich dann so wenig?
Hausaufgaben sind in Deutschland ein Ritual. Trotz negativer Erfahrungen ist die Mehrheit der Lehrer und Eltern von Hausaufgaben überzeugt. Es ist wie ein Kult. Wir sind alle Kultisten.

Wir sind Kultisten und die Hausaufgaben unsere ritualisierte Handlung.

Reden wir von „Personen mit Beharrungsvermögen“. Das geht nicht so nah wie Kultist. Das Thema Hausaufgaben ist sehr beharrlich. Ursächlich ist die Überzeugung, dass die zusätzliche Lernzeit für den Lernerfolg notwendig sei, die Angst das Kind könnte in einen Lernrückstand geraten und die Angst vor Kontrollverlust.
Nicht nur Lehrer bilden sich ein, über Hausaufgaben den Lernerfolg kontrollieren, steuern und messen zu können. Die Eltern bilden sich das auch ein! Wenn nicht, passiert es spätestens bei Lehrer-Eltern Gesprächen mit missionierenden Charakter:

„Ich musste feststellen, dass Karl die Hausaufgaben schleifen lässt. Sie sollten schon darauf achten, dass er die Hausaufgaben regelmäßig und sorgfältig erledigt. Sie wissen ja gar nicht, wie wichtig das ist. Es müssen Prioritäten gesetzt werden. Meine Erfahrung zeigt … und Karls Hobby beansprucht auch viel Zeit. Vielleicht bietet sich an der Stelle ein Kompromiss an, um mehr Lernfreiräume zu schaffen. Denken Sie darüber nach. Die Weichen müssen rechtzeitig gestellt werden.“

fiktiver und beunruhigter Kultist Lehrkraft mit Beharrungsvermögen

Das stellt eine Ausnahme dar. Aber was bleibt vielen Eltern übrig, als dem Lehrer Glauben zu schenken? Läuft bestimmt super, Karl, seine Hausaufgaben und Eltern.
Wie schon bei Problem 4 genannt, sind Hausaufgaben gar nicht so wichtig für den Lernerfolg. Aber egal was die Studien beweisen, … uns geht es um den Kult 😉

Problem Nr. 9: Motivation

Intrinsisch motivierte Schüler? Ja, gibt es. Deine innere Motivation ist einfach vorhanden, eine Art Charaktereigenschaft, … Glückwunsch!

Eine deutlich kleinere Halbwertszeit besitzt die extrinsische Motivation. Du kümmerst dich um die Hausaufgaben um deinen Eltern oder deiner Lehrkraft zu gefallen? Das ist aller Ehren wert. Aber es ist immer ein innerer Widerstand zu spüren. Wie sicher ist, dass du eine entsprechende Wertschätzung erfährst, eine positive und aufbauende Rückmeldung? Du kämpfst mit den Problemen, die unter 1 – 8 beschrieben sind?! Das geht nicht lange gut. Wie lange hälst du es durch? Am Ende kann es sogar sein, dass durch entstehenden Frust und Demotivation deine schulischen Leistungen abnehmen.

Motivation (+Hausaufgabe) und Wurstbrötchen besitzen in etwa die gleiche Lebensdauer. Angefangen, liegen gelassen, am zweiten Tag für die Tonne.

Problem Nr. 10: Benotung

Hausaufgaben dürfen qualitativ bewertet werden. Viele Lehrkräfte machen das. Dabei geht es darum, dir Feedback geben zu können und neben den schriftlichen Leistungsnachweisen (Klassenarbeiten) eine Leistung dokumentiert zu haben, die das Gesamtbild stützt. Das hört sich fies an, kann aber auch deinen Arsch retten, wenn du auf Grund einer schlechten Tagesform eine Klassenarbeit in den Sand gesetzt hast.

In der Regel wird mit Tabellen dokumentiert, in denen dann ++ bis – – und mögliche Abstufungen zu finden sind. Solche Tabellen sind ein schnell anwendbares Tool, um einen Eindruck festzuhalten. Das solltest Du wertschätzen, denn nichts ist schlimmer als eine Fehleinschätzung zu deinen Lasten, weil kurz vor der Zeugniserstellung das Gedächtnisprotokoll des Lehrers Lücken aufweist. Üblicherweise besitzen solche Bewertungen das Gewicht einer Unterrichtsbeteiligung und werden auch so in das Gesamtbild eingearbeitet.

Hausaufgaben dürfen nicht wie Klassenarbeiten benotet werden!

Unter deinen Hausaufgaben stehen Noten von 1 bis 6? So wie bei Klassenarbeiten? Das darf, unabhängig vom Bundesland, nicht sein. Das ist nicht zulässig! Hausaufgaben werden unter völlig anderen Bedingungen bearbeitet als Klassenarbeiten.

Eine Überprüfung, Bewertung und Rückmeldung sind zulässig, aber eine „harte Benotung“ eben nicht.

Lösungen?

Hausaufgaben gehören zu der Methodenvielfalt von Schule. Die schulische Arbeit sollte schwerpunktmäßig in Schule stattfinden, nicht zu Hause. Werden Hausaufgaben gegeben, so sind diese in einen sinnvollen Zusammenhang mit dem Unterricht zu stellen und durch Lehrkräfte didaktisch vorzubereiten. Und das macht eben jeder anders oder gar nicht. Das mit der Vorbereitung ist schwierig.

„Spontane Hausaufgaben“ entstehen im Idealfall aus dem Unterrichtsgeschehen heraus. Dann seht ihr einen engen Zusammenhang zwischen Unterricht und Hausaufgaben. Dafür müssen wir Lehrer die Situation erkennen und spontan reagieren. Oftmals geht eine solche Chance verloren. Das ist schade, weil z.B. der Hebel für eine intrinsische Motivation kürzer ausfällt, als er sein könnte. Und selbst wenn, … eine Individualisierung ist dann noch nicht gegeben.

„Geplante Hausaufgaben“ setzen einen hypothetischen Unterricht voraus, der alle Ziele erreicht. Geplante Hausaufgaben sind eine Fortsetzung, berücksichtigen eine Differenzierung, die Kontrollierbarkeit, den zeitlichen Umfang, Alltagsbezug, eine Vielfalt an Lösungsmöglichkeiten, eröffnen Erfolgserlebnisse, sorgen für die Festigung des Erlernten, … was eben so an Funktionen von Hausaufgaben zu erwarten ist.
Was glaubt ihr? Wie viele Stunden laufen nach Plan? Wie oft können geplante Hausaufgaben wirklich nahtlos an die Stunde anknüpfen? Werden sie trotzdem aufgegeben, sind wir sofort bei den oben genannten Problemen.

Wie werden Hausaufgaben allen Schülern gerecht, ohne das Leistungsschwächere abgehängt werden? Wie sind individuelle kognitive Voraussetzungen und individuelle häusliche Lernumgebungen zu berücksichtigen? Wie sind Hausaufgaben vorzubereiten, um gezielt Lerneffekte zu erreichen? Welche Form der Hausaufgabe für welchen Zweck?

Fakt: Hausaufgaben sind eine Riesenbaustelle, ein ewiges Spannungsfeld, … in der Lehrer-Hochschulausbildung oder/und im Referendariat wird dem Thema „Hausaufgabe“ wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Es gibt nicht (die) eine Lösung!

Was sagt Lehrer Schmidt dazu?

Sind Hausaufgaben (noch) sinnvoll?